15 Feb. Versatzstück 20120215
Die Hawthorne-Studien
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Theorien, die dem Denken Richtung geben
Ab dem Jahr 1924 fanden in den Hawthorne-Werken der Western Electric Manufacturing Company in der Nähe von Chicago unter der Leitung von Fritz Jules Roethlisberger, William John Dickson und Elton Mayo mehrere Untersuchungen zur Verbesserung der Produktivität statt. Im Jahr 1933, mit der Schließung der Hawthorne-Werke, endeten sie.
In der Zeit der Untersuchung war das Scientific Managements von Frederick Winslow Taylor weit verbreitet. Dabei werden planende und auszuführende Arbeit voneinander getrennt, die auszuführenden Arbeiten untersucht und in kleine Arbeitseinheiten zerlegt. Es wird ermittelt unter welchen Bedingungen die größte Menge in der gewünschtem Qualität produziert werden kann, um dann die Produktionsprozesse entsprechend einzurichten.
Auch die Untersuchungen in den Hawthorne-Werken verfolgten das Ziel, die Arbeitsleistung zu steigern. Vielen Faktoren wurde Bedeutung beigemessen, nicht jedoch den Beziehungen, die sich dabei zwischen den Menschen einstellen. Deren Bedeutung zeigte sich dann aber in einer Versuchsreihe zur Ermittlung der optimalen Helligkeit in einem Raum zur Montage von Telefonrelais, dem Relay-Assembly Room.
Elton Mayo beschrieb es später so: „[…] die Beleuchtung im Experimentierraum wurde verbessert, und die Erzeugung stieg; aber sie stieg auch im Kontrollraum. Und das Gegenteil davon: die Beleuchtung im Experimentierraum wurde von drei Meterkerzen auf eine Meterkerze herab gesetzt, und wieder stieg die Erzeugung; gleichzeitig stieg sie aber auch im Kontrollraum, in dem die Beleuchtung gleich geblieben war.“
Die Produktion stieg unabhängig von der eingestellten Helligkeit. Die Forscher fanden darauf keine Antwort und befragten die Arbeiterinnen. Die antworteten, dass sie sich über die Aufmerksamkeit gefreut hätten, die ihnen zugekommen war, und da wollten sie zeigen, was sie können. Die Beachtung war Grund der Leistungssteigerung.
Dieser Faktor war in den formellen Grundannahmen des Scientific Managements nicht vorgesehen. Hier dominierten Vorgaben, Anweisungen, Sanktionierungen und finanzielle Anreize. Doch die informelle Strukturen erwiesen sich von entscheidender Bedeutung für die Produktivität. Die Ansätze der technischen Organisation mussten also um Ansätze einer humanen Organisation erweitert werden. Das war die Geburtsstunde der Human-Relations-Bewegung, die sich fortan den informellen Beziehungen in Organisationen widmete.
Weitere Ergebnisse zeigten, dass ein weniger direktiver und stärker verständnisorientierter Führungsstil ebenfalls von Vorteil für die Produktivität innerhalb der Hawthorne-Werke war. Aber die Ergebnisse zeigten auch, dass nicht alle informellen Einflüsse zum Vorteil der Produktivität wirkten.
In einem Verdrahtungsraum, dem Bank-Wiring Room, reagierten die Arbeiter nicht individuell, sondern als Gruppen, auf die für die Untersuchung eingerichteten Anreizsysteme. In der Gruppe entstand die Befürchtung, dass eine Leistungssteigerung am Anfang zwar entlohnt, später dann aber durch eine Herabsetzung von Vergütungsanteilen oder eine Verringerung der Mitarbeiterzahl wieder bestraft würde. Meinungsführer traten in Erscheinung und die Gruppe entwickelte Sanktionen, wie Missbilligung, Spot und Sarkasmus, um die Einheit der Gruppe in dieser Überzeugung gegen interne Abweichler zu erhalten. Die Leistungssteigerung blieb aus.
Zu den zentralen Erkenntnissen der Studien gehört daher auch, dass nicht nur Größen wie Aufmerksamkeit und Führungsstil Einfluss haben, sondern auch die gelebten Überzeugungen in Gruppen.